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Das StaRUG-Verfahren – Präventive Restrukturierung vor der Insolvenz

Ein neues Instrument der Unternehmenssanierung im deutschen Restrukturierungsrecht

Einleitung

Mit dem Inkrafttreten des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) am 1. Januar 2021 hat der deutsche Gesetzgeber ein bedeutendes Reformprojekt umgesetzt: Erstmals wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, um Unternehmen bereits vor Eintritt in ein Insolvenzverfahren gezielt zu restrukturieren – auf Grundlage einer EU-Richtlinie (EU 2019/1023). Das StaRUG ergänzt damit das Instrumentarium der Insolvenzordnung (InsO) um eine frühzeitige, präventive Sanierungsoption.


1. Zielsetzung und Anwendungsbereich

Das StaRUG richtet sich an schuldende Unternehmen in wirtschaftlicher Krise, die noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet sind, jedoch drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) aufweisen. Ziel ist es, eine Insolvenz durch rechtzeitig eingeleitete, gerichtsbegleitete oder außergerichtliche Sanierungsmaßnahmen zu vermeiden.

Typische Einsatzszenarien:

  • Strategische Restrukturierung zur Schuldenreduktion
  • Abwendung eines Insolvenzantrags durch Gläubiger
  • Sanierungsverhandlungen mit bestimmten Gläubigergruppen (z. B. Banken)
  • Kapitalmaßnahmen zur Unternehmensstabilisierung

2. Voraussetzungen für das Verfahren

Ein StaRUG-Verfahren ist möglich, wenn:

  • Drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt (§ 1 StaRUG)
  • Ein Restrukturierungsvorhaben mit konkretem Sanierungsziel existiert
  • Das Unternehmen sanierungsfähig und sanierungswürdig ist
  • Die notwendigen Unterlagen und eine belastbare Liquiditätsplanung vorliegen

Nicht anwendbar bei:

  • Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO)
  • Überschuldung (§ 19 InsO)

Dann greift zwingend die Insolvenzordnung.


3. Kernbestandteile des Verfahrens

a) Restrukturierungsplan (§§ 6 ff. StaRUG):
Zentraler Bestandteil ist ein Restrukturierungsplan, der vergleichbar mit einem Insolvenzplan ist. Er kann nur bestimmte Gläubigergruppen einbeziehen (Selektivität), ohne dass das gesamte Unternehmen in ein förmliches Verfahren geführt wird.

b) Stabilisierungsinstrumente (§§ 49 ff. StaRUG):
Das StaRUG ermöglicht bei Bedarf gerichtliche Maßnahmen zur Stabilisierung, etwa:

  • Vollstreckungsschutz
  • Verfügungsverbote
  • Zustimmungsersetzung (Cram-down)

c) Restrukturierungsgericht (§ 2 StaRUG):
Zuständig ist das Amtsgericht, das sich auf Restrukturierungsverfahren spezialisiert hat. Das Verfahren kann teilweise gerichtlich oder vollständig außergerichtlich durchgeführt werden.

d) Restrukturierungsbeauftragter (§§ 73 ff. StaRUG):
Kann auf Antrag oder bei öffentlicher Verfahrenseröffnung vom Gericht bestellt werden. Dient der Überwachung oder Unterstützung der Verhandlungen.


4. Vorteile gegenüber dem Insolvenzverfahren

  • Diskretion: Kein öffentlicher Bekanntmachungszwang wie im Insolvenzverfahren
  • Flexibilität: Selektive Einbindung von Gläubigern möglich
  • Imagewahrung: Keine insolvenzrechtliche Stigmatisierung
  • Steuerungshoheit: Unternehmensführung bleibt grundsätzlich erhalten

5. Herausforderungen und Kritik

  • Komplexität: Hohe Anforderungen an die Planung und Dokumentation
  • Kostenintensität: Wirtschaftlichkeit bei KMU fraglich
  • Gläubigerkommunikation: Überzeugende Kommunikation und Einbindung erforderlich
  • Beweisführung: Klare Darlegung der drohenden Zahlungsunfähigkeit notwendig

Ein StaRUG-Verfahren erfordert professionelles Know-how in betriebswirtschaftlicher, juristischer und verhandlungstechnischer Hinsicht.


6. Aktuelle Entwicklungen und Praxisrelevanz

  • Zurückhaltung in der Praxis: Viele Unternehmen und Berater setzen weiterhin auf das ESUG-Verfahren oder außergerichtliche Sanierung
  • Zunehmende Spezialisierung: Bildung von StaRUG-Fachgerichten, Etablierung von Restrukturierungsbeauftragten
  • Wachsende Bedeutung in Krisenzeiten: Inflation, Energiekrise und geopolitische Unsicherheiten erhöhen den Bedarf an vorinsolvenzlicher Sanierung

Fazit

Das StaRUG bietet ein modernes und wirkungsvolles Werkzeug für Unternehmen in der Krise – wenn es frühzeitig und professionell genutzt wird. Es ergänzt die klassischen Instrumente der Insolvenzordnung um einen präventiven Sanierungsansatz, der Gläubigerinteressen schützt und Unternehmenssubstanz erhalten kann. Voraussetzung ist jedoch eine fundierte Vorbereitung, belastbare Liquiditätsplanung und überzeugende Kommunikationsstrategie gegenüber den beteiligten Stakeholdern.

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